Page 38 - Natur in NRW
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Fachbeiträge
mige Eichenbestände durchwachsen oder wurden in Fichtenbestände umgewandelt. Vor allem dadurch gingen die Haselhuhn- vorkommen drastisch zurück und die rest- lichen Vorkommen wurden mehr und mehr isoliert. Einige Restvorkommen konnten sich in NRW bis in die 2000er-Jahre erhal- ten (Weiss 2013). In der Roten Liste der Brutvögel Nordrhein-Westfalens wird das Haselhuhn in der Kategorie „Vom Aus- sterben bedroht“ geführt (Grüneberg et al. 2016). Der Gesamtbestand in NRW wurde noch für den Zeitraum 2005 bis 2009 mit 15 bis 25 Brutpaaren angegeben (Weiss 2013). Aufgrund der weiteren Ausdün- nung rechnen wir heute mit noch weniger Paaren, wenn überhaupt noch (Brut-)Vor- kommen anzutreffen sind (Weiss & Jöbges 2018).
Vor diesem Hintergrund ist es dringend und zwingend notwendig, die Bereiche
in NRW, aus denen in den 1990er- und 2000er-Jahren noch glaubwürdige Nach- weise des Haselhuhnes vorliegen, gründ- lich, systematisch und fachkundig auf An- wesenheit von Haselhühnern zu überprü- fen (Weiss & Jöbges 2018). Eines dieser Gebiete ist der Ringelsteiner Wald, aus dem in den letzten Jahren noch einige Be- obachtungen gemeldet wurden und der noch günstige Habitate aufweist. Die-
ses Gebiet wurde deshalb für die im Fol- genden beschriebene Haselhuhnsuche ausgewählt.
Nachweismethoden
Das Haselhuhn lebt versteckt in dich-
ter Waldvegetation und zeigt eine heim- liche Lebensweise. Daher ist es aufwen- dig, in systematischer Form Haselhuhn- Nachweise zu erbringen. Immer wieder beruhen vermeintliche Sichtbeobach- tungen auf Verwechslungen; selbst die Identifizierung von Spuren und anderen Hinterlassenschaften wie Losung ist nur von erfahrenen Artkennerinnen und -ken- nern sicher möglich, wobei es auch für sie durchaus unklare Fälle gibt. Auch die bioakustische Nachweismethode – das Locken mit einem Haselhuhnpfeifchen
– bedarf ausreichender Erfahrung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Haselhühner in Gebieten mit geringer Siedlungsdichte auch weniger gesangsfreudig sind als in gut besetzten Lebensräumen.
Aufgrund der heimlichen Lebensweise
ist aber die systematische Suche nach Lo- sung, Federn und Spuren der einzig viel- versprechende Weg (Kämpfer-Lauenstein 2018). Das gründliche Absuchen größerer
Flächen nach solchen Hinterlassenschaf- ten durch einen Experten oder eine Exper- tin ist zeitaufwendig. Von daher erscheint es sinnvoll und sachgerecht, ergänzende Methoden zum Auffinden von Hinterlas- senschaften des Haselhuhnes zu prüfen. Hier bietet sich vor allem der Einsatz von Spürhunden an.
Spürhunde werden in den letzten Jahren aufgrund ihrer überragenden Riechleis- tung immer häufiger für verschiedene Suchaufgaben eingesetzt – nicht nur zur Drogen- und Sprengstoffsuche, sondern mehr und mehr auch bei der Schädlings- suche (z. B. Schadkäfer, Bettwanzen) und im Artenschutz (u. a. Geiger et al. 2019, Taubmann & Ramlow 2019). Das Spek- trum bei der Artensuche reicht beispiels- weise von Pilzen über Eremiten, Amphi- bien und Fledermäuse bis hin zum Luchs und zu verschiedenen Vogelarten. Vor al- lem im Auerhuhnmonitoring in Skandi- navien und Mitteleuropa sind Spürhunde seit Längerem im Einsatz, um Vorkom- men, Raumnutzung und Reproduktions- erfolg zu erfassen (Überblick: Taubmann & Ramlow 2019). Aufgrund der bisheri- gen Erfahrungen mit Spürhunden dürf- ten die methodischen Erfolgsaussichten auch bei der Haselhuhnsuche hoch sein. Dies gilt sowohl für die Suche nach Lo- sung als auch zur Klärung weiterer Frage- stellungen bei Raufußhuhnarten, wie zur Raumnutzung und Siedlungsdichte (u. a. Bowker et al. 2007; Summers et al. 2010).
Vorbereitung und Durch- führung der Untersuchung
Der Erstautor wurde während einer Ta- gung des Wildlife Detection Dogs e.V. über den Einsatz von Spürhunden ange- regt, ein Projekt zur Haselhuhnsuche zu entwickeln. Er fand im Zweitautor einen erfahrenen Partner mit Spürhund, der In- teresse an einem gemeinsamen Projekt hatte. Das LANUV griff die Idee gerne auf und unterstützte das Projekt dankens- werterweise finanziell. Ursula Wilmering, Haselhuhnzüchterin aus Vechta, Kreis Os- nabrück, überließ uns Haselhuhnlosung für das Training des Spürhundes. Das Re- gionalforstamt Hochstift, zu dem der Rin- gelsteiner Wald gehört, unterstützte das Projekt nachdrücklich. Vor Ort erhielten die Autoren vielfache Hilfe durch die zu- ständigen Revierbeamten, Friedrich Bert- mann und Stefan Schütte, sowie durch den Leiter des Jugendwaldheimes Ringel- stein, Stefan Nolte. Allen Förderern und Unterstützern sei herzlich gedankt.
Die Untersuchungen sollten – um Störun- gen gering zu halten – nach der Brutzeit des Haselhuhnes erfolgen. Geplant wur- den drei Einsatzblöcke: einer im Früh- herbst, einer im Spätherbst und einer im Winter – letzterer möglichst mit leich-
ter Schneebedeckung, die das Auffinden von Losung und Trittsiegeln erleichtert. Auf diese Weise sollten zu unterschiedli- chen phänologischen Bedingungen Erfah- rungen mit der Suchmethode gesammelt werden.
Geländebegehungen fanden vom 20. bis 22. September und vom 13. bis 15. De- zember 2018 statt. Wintereinsätze mit schneebedecktem Boden erfolgten am
6. und am 8. Februar 2019. Zeitweise gin- gen Hundeführer mit Hund und Hasel- huhnexperte gemeinsam durchs Gelände. Meist aber war der Erstautor unabhängig vom Hundeteam unterwegs, um zusätzli- che Flächen zu erkunden, um die Unter- suchungsdichte zu erhöhen und bei gerin- gerem Störungsgrad mit größeren Erfolgs- aussichten die Klangattrappe (Lockpfeife) einsetzen zu können. Dabei suchte er in klassischer Weise nach Haselhuhnspuren (Huderstellen, Federn, Losung, Laufspu- ren) im Gelände und berücksichtigte da- bei Stellen besonders, die gerne von Ha- selhühnern aufgesucht werden – zum Bei- spiel an Wegrändern, Böschungen, Wur- zeltellern, umgestürzten Bäumen oder unter dicht beasteten Fichten (potenzielle Schlafbäume). An geeigneten Stellen lockte er mit der Haselhuhnpfeife.
Der Spürhund Tane (Rüde, Magyar Vizsla, 2,5 Jahre alt) hatte seine Fähigkei- ten als Artenschutz-Spürhund bereits vor- her unter Beweis gestellt. Nachdem der Hund zu Beginn die nötigen Suchmuster verinnerlicht hatte und den Suchablauf kannte, gelang die Einführung des neuen Zielgeruchs auf Anhieb. Zunächst wurde jeweils eine Geruchsprobe der Haselhuhn- losung zur Suchaufforderung verwendet, später genügte dann das eingeführte Kom- mando. Am Anfang wurde zum Training neben der Losung von Vögeln aus Gefan- genschaft auch Winterlosung wilder Ha- selhühner aus Nord-Mazedonien (Tetras tes bonasia schiebeli) verwendet. Wäh- rend des Trainings wurden auch in weni- gen Fällen Proben anderer Vogelarten, vor allem der Waldschnepfe ausgelegt. Eine Fehlanzeige erfolgte in keinem Fall. Der Hund schenkte auch der Losung der beim Feldeinsatz aufgestöberten Waldschnep- fen keine weitere Beachtung, weshalb die Wahrscheinlichkeit einer falschen positi- ven Indikation als sehr gering angesehen werden kann.
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Natur in NRW 2/2021