Page 21 - Natur in NRW
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nur auffällige Pflanzen erfasst, die bei hö- herer Geschwindigkeit nicht immer exakt verortet werden konnten.
Die Situation am 28.09.2020 ließ ein un- gestörtes Arbeiten ohne gravierende räumliche Behinderungen zu, die Kartie- rung fand bei regnerischer Witterung statt. Durch bereits vorangegangene Regenfälle keimten einige Frühblüher erneut bezie- hungsweise befanden sich einige kurzle- bige Arten in einer zweiten, herbstlichen Blühphase. Wie auch bei der Kartierung zehn Jahre zuvor, wurde nur eine Fahr- bahnseite kartiert, in diesem Jahr jedoch die entgegengesetzte. Es wurden Mittel- und Randstreifen erfasst. Analog zu 2010 wurde eine Gesamtartenliste der Pflanzen angefertigt und bemerkenswerte sowie seltene Arten punktgenau verortet.
Um zu prüfen, in welchem Ausmaß sich Ähnlichkeiten innerhalb der floristischen Zusammensetzung des untersuchten Ab- schnittes ergeben haben, wurden die Ge- samtartenlisten aus 2010 und 2020 ge- genübergestellt und die Ähnlichkeit mit- tels Sörensen-Index berechnet (Tab. 1). Ebenso wurde die Ähnlichkeit zwischen dem Abschnitt 9 zu den anderen 2010 kar- tierten Abschnitten berechnet.
Ergebnisse
Insgesamt konnten am 28.09.2020 169 verschiedene Pflanzenarten kartiert wer- den; bei der Kartierung im Jahr 2010 wur- den auf dem entsprechenden Abschnitt 153 Arten festgestellt (Keil et al. 2010). Auch bei der aktuellen Untersuchung füll-
ten eine Reihe seltener und bemerkens- werter Pflanzenarten die Liste (Abb. 5).
In der Gruppe der seltenen heimischen Arten ist der Gefleckte Schierling (Co nium maculatum) hervorzuheben, ein Neufund für diesen Abschnitt. Die Art tritt regelmäßig auf Mittelstreifen von Autobahnen oder Schnellstraßen auf und wurde 2010 zwischen Bochum und Es- sen kartiert. Der Gefleckte Schierling ist jedoch außerhalb von Autobahnen selten und wird in der Roten Liste für das Nie- derrheinische Tiefland als „gefährdet“ ge- führt (Raabe et al. 2011).
Ein weiterer bemerkenswerter Neufund ist der Wermut (Artemisia absinthium). Auf verschiedenen Autobahnen in NRW ist die kontinental verbreitete Art bereits in Aus- breitung, zum Beispiel auf der A44 im Raum Ostwestfalen, auf der A46 Kreuz Hilden oder auf der A3 im Rheinland.
Die Gruppe der salzverträglichen Pflan- zen umfasst Arten wie die Salz-Schup- penmiere (Spergularia marina), die bei der Untersuchung 2010 am Kreuz Kaiser- berg noch nicht auftrat und damit 2020 einen Neufund, insbesondere auch für
das Niederrheinische Tiefland, darstellt. Der Salzschwaden (Puccinellia distans) wurde an zwei Stellen in dem untersuch- ten Abschnitt gefunden. Er galt lange Zeit als typisch für Straßen und trat im Ruhr- gebiet auch am Rande von Bergehalden im Bereich von frischen Salzausblühun- gen auf. Mit zunehmendem Alter der Hal- den, der Auswaschung der Salze und den Rekultivierungen verschwand die Art je- doch an diesen Standorten. Arten wie
die Verschiedensamige Melde (Atriplex
micrantha) oder die Breitblättrige Kresse (Lepidium latifolium) gelten ebenfalls als salztolerant (Ellenberg et al. 1992). Je- doch ist unklar, inwiefern ihr Auftreten an Autobahnen tatsächlich mit dem Einsatz von Streusalz zusammenhängt oder ob hier Faktoren der Linienmigration die ent- scheidendere Rolle spielen. Die Breitblätt- rige Kresse hat in NRW neben ihren Vor- kommen auf Autobahnen einen Verbrei- tungsschwerpunkt in der Rheinaue. Das Dänische Löffelkraut (Cochlearia danica) besiedelt ebenfalls zahlreiche Autobahn- abschnitte im Ruhrgebiet, wurde aber bei beiden Kartierungen aufgrund der frühen Phänologie der Art (Blütezeit im März) nicht oder nur im abgestorbenen Zustand erfasst.
Autobahnen sind als Ausbreitungsvektor für einige bemerkenswerte Neophyten gut dokumentiert. So scheint sich beispiels- weise der Klebrige Alant (Dittrichia gra veolens), der lange Zeit als Charakterart der Industriebrachen des Ruhrgebietes galt, aktuell zunehmend auf Autobahnen auszubreiten, wie es seit Jahrzehnten aus Süddeutschland beobachtet wird (zur Aus- breitungsgeschichte s. Buch 2019). Vor wenigen Jahren wurden größere Bestände auf der A40 im Bereich Essen-Zentrum entdeckt. Auch die großen, individuenrei- chen Vorkommen am Kreuz Kaiserberg sind neu und wurden bislang noch nicht erfasst.
Eine Überraschung stellte bei der Kartie- rung der Fund des Duft-Drüsengänsefußes (Dysphania ambrosioides) dar. Die Art ist seit circa zehn Jahren am Rheinufer stark in Ausbreitung begriffen (Buch & Keil 2012) und aktuell bereits fast überall ent-
Abb. 4: Der Duft-Drüsengänsefuß ist bislang für NRW nur aus der Rheinaue bekannt. Foto: C. Buch
Natur in NRW 2/2021
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