Page 23 - Natur in NRW
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Abb. 2: Röhricht- und Schwimmblattvegetation am Bienener Altrhein 1995 (links) und 2017 (rechts). Ein Großteil der See- und Teichrosen sowie des Röhrichts ist verschwunden – insbesondere auch die Inseln des Schmalblättrigen Rohrkolbens im Altrhein. Fotos: Naturschutzzentrum im Kreis Kleve und A. Vossmeyer
vegetation mit Schwimm- und Wasser- pflanzenvegetation“. Hierunter versteht man den eigentlichen Wasserkörper mit seinen speziellen Pflanzengesellschaften sowie den wechselnassen Uferbereich mit seinen Röhrichten und Seggenriedern.
Die Vegetationszonierung des Altrheines war früher gut ausgeprägt. Es fanden
sich Wasserpflanzen- und Röhrichtgesell- schaften in beispielhafter Abfolge. Prä- gende Wasserpflanzengesellschaften wa- ren beispielsweise die Seerosengesell- schaft (Myriophyllo-Nupharetum) und
die Seekannen-Gesellschaft (Nymphoide- tum peltatae). In der Röhrichtzone fanden sich unter anderem das Teichbinsen-Röh- richt (Scirpetum lacustris), die Kalmusge- sellschaft (Acoretum calami), das Schilf-
Röhricht (Phragmitetum australis) so- wie das Wasserschwaden- (Glycerietum maximae) und das Schmalblatt-Rohr- kolben-Röhricht (Typhetum angustifoliae) (Woike 1986; Follmann & Kleikamp 1991). Bis auf das Schilf-Röhricht hat- ten jedoch alle übrigen Röhrichtgesell- schaften in den letzten Jahrzehnten einen sehr starken Rückgang zu verzeichnen.
So wiesen zwischen 1995 und 2011 die hochwüchsigen Röhrichte einen Verlust von 65 Prozent (16 Hektar) auf. Die Rohr- kolben-Röhrichte waren nahezu vollstän- dig verschwunden (Abb. 2). Die ehemals ausgeprägten Röhrichtinseln im Altrhein, bestehend aus Schmalblättrigem Rohrkol- ben (Typha angustifolia), sind heute nicht mehr vorhanden.
Als Ursache für den Rückgang der Rohr- kolben-Röhrichte konnte der Fraß durch die Nutria (Myocastor coypus) eindeutig nachgewiesen werden (Vossmeyer et al. 2016). Die Schädigung durch die Nutria ist deshalb so nachhaltig, weil sie insbe- sondere die Rhizome und den Vegetati- onskegel frisst. Dadurch ist ein Neuaus- trieb der Pflanzen nicht mehr möglich.
In der Folge kommt es zusätzlich durch Wind und Wellenschlag zur Erosion der Feinsedimente und zu einer Absenkung der schlammigen Uferzone, in der somit keine natürliche Wiederansiedlung durch Aussaat und Keimung stattfinden kann. Da Röhrichte ein wichtiger Lebensraum für eine speziell angepasste Fauna wie In- sekten und Röhrichtvögel sind und auch für Fische als Rückzugsort und Laichplatz eine große Rolle spielen, wird durch ihren Rückgang das Schutzgebiet in seiner öko- logischen Funktion massiv negativ verän- dert. Dies führt letztlich zu einer Verrin- gerung der biologischen Vielfalt und ge- fährdet den Wert des Schutzgebietes ins- gesamt. Speziell an Röhrichte gebundene Tierarten haben in der Umgebung zudem so gut wie keine Ausweichmöglichkeiten.
LIFE-Projekt „Lebendige Röhrichte – Reeds for LIFE“
Um dem Rückgang der Röhrichte ent- gegenzuwirken, wurde 2017 im Rah-
men des LIFE-Programmes der EU ein Projekt zum Schutz und zur Förderung der Röhrichte am Bienener Altrhein be- antragt. Dieses wurde 2018 bewilligt. Neben der EU fördern auch das Land Nordrhein-Westfalen, der Kreis Kleve, der Deichverband Bislich-Landesgrenze, die Stöckmann-Stiftung und die HIT-Umwelt- Stiftung das Projekt. Die Laufzeit beträgt siebeneinhalb Jahre bis Ende 2025. Das Projektgebiet umfasst die beiden FFH- Gebiete „NSG Grietherorter Altrhein“ und „NSG Bienener Altrhein mit Millinger und Hurler Meer“ (Abb. 3).
Abb. 3: Lage des Projektgebietes am rechten Unteren Niederrhein. Kartengrundlage: Land NRW (2020), Gewässerstationierungskarte gsk3c, TK25, dl-de/zero-2-0, Bezirksregierung Köln, Geobasis NRW.
Natur in NRW 1/2021
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