Page 40 - Natur in NRW
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Fachbeiträge
Abb. 6: Projektleiterin Birgit Röttering (rechts) bei der Übergabe von Wildpflanzen an einen lokalen Verein. Foto: J. Romero
wöhnliche“ Arten werden die Blumen für sich entdecken. Und damit sind die gro- ßen und kleinen Balkongärtner und -gärt- nerinnen ganz nah dran am Geschehen, und es werden sich immer wieder unver- hoffte Begegnungen einstellen: auf Au- genhöhe mit einem Paar Facettenaugen. Das schafft Bewusstsein für die städtische Artenvielfalt und kann gerade jetzt ganz konkret zum Erfolg der Volksinitiative ge- gen das Insektensterben beitragen.
LITERATUR
Gatter, W., Ebenhöh, H., Klima, R., Gatter, W. & F. Scherer (2020): 50-jährige Untersuchungen an migrierenden Schwebfliegen, Waffenfliegen und Schlupfwespen belegen extreme Rückgänge (Diptera: Syrphidae, Stratiomyidae; Hymenop- tera: Ichneumonidae). Entomologische Zeit- schrift 130.3: 131–141.
Hand, R., Thieme, M. & Mitarbeiter (2020): Flo- renliste von Deutschland (Gefäßpflanzen), be- gründet von Karl Peter Buttler. Version 11, http:// www.kp-buttler.de.
Hufford, K. M. & S. J. Mazer (2003): Plant eco- types: genetic differentiation in the age of eco- logical restoration. Trends in Ecology & Evolution 18.3: 147–155.
ZUSAMMENFASSUNG
In dem durch die Deutsche Postcode Lot- terie geförderten Pilotprojekt „Naturnahe Balkone“ hat der NABU Stadtverband Köln in Zusammenarbeit mit der Alexia- ner Klostergärtnerei 2019 bis 2020 rund 10.000 Wildpflanzen von insgesamt 16 Arten angezogen, die in der Kölner Bucht heimisch oder dauerhaft eingebürgert sind. Ziel des Projektes war die Etablie- rung von Wildpflanzen mit gebietsheimi- scher Genetik im Kölner Gartenfachhan- del. Hierzu wurde eine gezielte Öffentlich- keitsarbeit betrieben, die die bekannten Trends Naturgarten und Wildpflanzen mit dem Fachthema Pflanzengenetische Her- kunft und Regio-Saatgut verknüpfte. Im Rahmen mehrerer Außenaktionen wurden die Pflanzen an interessierte Balkon- und Gartenbesitzerinnen und -besitzer abge- geben und über die Vorteile gebietsheimi- scher Wildpflanzen informiert.
AUTORINNEN
Birgit Röttering, M. A.
NABU Stadtverband Köln birgit.roettering@nabu-koeln.de
Dr. Volker Unterladstetter
NABU-Naturschutzstation Leverkusen-Köln volker.unterladstetter@nabu-bslk.de
bietsheimischen Wildpflanzen aufmerk- sam machte.
Als zweiter, öffentlichkeitswirksamer Ver- triebsweg wurden verschiedene Verteil- aktionen über den NABU Stadtverband Köln geplant. Obwohl der Saisonstart mit dem Auftreten der Corona-Pandemie und dem folgenden Lockdown zusammenfiel, konnten im Frühjahr und Sommer 2020 im Rahmen mehrerer Außen-Events unter Einhaltung der gültigen Hygiene-Bestim- mungen etwa 4.000 getopfte Wildstauden an interessierte Kölner Gärtner und Gärt- nerinnen abgegeben werden. Die meis- ten davon wurden tatsächlich auf Balkone und Dachterrassen gepflanzt, doch auch Kleingartenvereine, Schul- und Gemein- schaftsgärten sowie öffentliche Träger zeigten sich von den Aktionen begeistert und fragten vielfach zusätzlich an.
Während des gesamten Projektzeitraumes war das Interesse an insektenfreundlichen Wildpflanzen aus der eigenen Region im- mens. Von Beginn an wurde das Thema aktiv in den sozialen Medien thematisiert, unter anderem mit einem Podcastbericht über die Anzucht der Jungpflanzen, über Postings auf Instagram, Facebook und auf der Internetseite des NABU Köln. Zu- sätzlich wurden Pressemitteilungen ver- schickt, ein Balkonwettbewerb veran- staltet und eine Infobroschüre herausge- geben. Auch nachdem die letzten Pflan- zen verteilt waren, gingen immer wieder Anfragen ein, so etwa vom Bezirksamt Köln-Ehrenfeld, das über das große öf- fentliche Interesse auf das Projekt auf- merksam geworden war.
Fazit des Projektes
Besonders drei Erfolge zeichnen das Pro- jekt „Naturnahe Balkone“ in unseren Au- gen aus. Erstens konnte mit der Alexia- ner Klostergärtnerei ein Betrieb gefunden werden, der sich mit dem Thema gebiets- heimische Blütenpflanzen ebenso enthu- siastisch auseinandergesetzt hat wie wir. Die Klostergärtnerei hat die Produktion gebietsheimischer Wildpflanzen nicht nur für die Projektlaufzeit sichergestellt, son- dern hat nach Ablauf des Projektes bereits eine weitere Produktionsreihe gestartet und plant, die Regio-Wildpflanzen dau- erhaft im Verkaufsprogramm zu behal- ten. Hierfür gab es 2020 zusätzlichen Rü- ckenwind durch das Projekt „Tausende Gärten – Tausende Arten“ der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V., in des- sen Rahmen die Alexianer Klostergärtne- rei zukünftig als einer der teilnehmenden Gartenbaubetriebe fungieren wird.
Ein zweiter Erfolg war das enorme Me- dienecho und die große Aufmerksamkeit, die dem Thema Wildpflanzen aus der Re- gion entgegengebracht wurde. Rückbli- ckend können wir konstatieren, dass das Projekt in Köln gerade zur richtigen Zeit kam. Und drittens konnten mit den 10.000 in Umlauf gebrachten Pflanzen auf zahl- reichen Balkonen und Dachterrassen ganz konkret kleine blühende Oasen geschaf- fen werden, in denen wir uns „glückli- che“ Hummeln, Schmetterlinge und viele andere Insekten vorstellen dürfen. Sicher werden die Balkonpflanzen keine hochge- fährdete Art vor dem lokalen Verschwin- den retten können. Aber unzählige „ge-
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Natur in NRW 1/2021